Man könnte es das am besten gehütete Geheimnis
des Judentums nennen, das Rabbiner Michael Hilton hier lüftet: Einige der
wichtigsten Bräuche und Lehren der jüdischen Religion sind nicht Frucht einer
jahrtausendealten Tradition, sondern entstandten unter dem Einfluss des
Christentums. So lautet die Aufsehen erregende Erkenntnis des Autors.
Bislang galt: Das Judentum ist die ältere, die
"reinere" Religion, das Christentum ging aus ihm hervor und baute auf ihm auf.
Die Vorstellung gegenseitigen Geben und Nehmens wirkt vor diesem Hintergrund wie
ein Affront. Doch das Judentum, das wir heute kennen, ist die Religion der
Rabbinen. In der Zeit dieser Gelehrten existierte das Christenum bereits, und
das Judentum hat sich oft in Reaktion auf das Christenum entwickelt und
verändert.
Die Entstehung jüdischer Feste, die Geschichte
jüdischen Brauchtums, die Messias-Vorstellung - in all diesen Bereichen bringt
Hilton überraschende Tatsachen ans Licht:
Schawuot, das Wochenfest, wurde erst spät mit der
Offenbarung am Sinai in Verbindung gebracht als Antwort auf das christliche
Pfingstfest. Die Schabbatkerzen haben ihre Wurzeln in der katholischen
Tradition. Und bei Chanukka, dem Lichterfest im Winter, ist das enge
Wechselspiel mit Weihnachten geradezu augenfällig.
Es ist kaum überraschend, dass jüdische
Gemeinden, die jahrhundertelang in einer christlichen Gesellschaft lebten, von
der sie umgebenden Kultur beeinflusst wurden. Doch ebendieser christliche
Einfluss auf das Jduentum wird bis heute weitestgehend ignoriert. Hinter lang
gepflegten Vorurteilen und gern tradierten Klischees entdeckt Michael Hilton nun
die Reziprozität beider Religionen. Mit diesem Buch wird es möglich, in der
Gemeindearbeit wie in der Forschung einen völlig neuen Pfad zu beschreiten.
"Zu erkennen, dass es über 2000 Jahre lang eine
symbiotische Beziehung zwischen den beiden Schwesterreligionen gab, hat
weitreichende Folgen für das heutige jüdisch-christliche Verhältnis." Der Dialog
ziwschen diesen beiden so eng miteinander verwobenen Religionen steht mit diesem
Buch auf einer neuen Grundlage.
Michael Hilton ist Rabbiner der Cheshire Reform
Congregation an der Menorah-Synagogue in Manchester.