Manche Juden distanzieren sich von Demonstration
deutscher Christen für Israel
[english]
Von Toby Axelrod
Berlin, 25. August (JTA /
www.jta.org)
Vergangenen Samstag fand eine der größten Pro-Israel
Demonstrationen statt, die Deutschland in letzter Zeit gesehen hat -
allerdings ohne die Unterstützung deutsch-jüdischer Gruppen.
Die Demonstranten, die israelische Fahnen schwenkten und unter dem Slogan
„Deutschland an die Seite Israels“ marschierten, waren zumeist
fundamentalistische Christen, die einen palästinensischen Staat ablehnen
und glauben, dass die jüdische Kontrolle über das biblische Land Israel
eine Voraussetzung für die Rückkehr Jesu ist.
Während die hiesige israelische Botschaft für die Veranstaltung, die nach
Schätzungen der Polizei rund 4000 Teilnehmer zählte, warb, und dort
Informationsmaterial verteilte, distanzierte sich der Bundesverband
Jüdischer Studenten in Deutschland e.V. (BJSD) deutlich von der
Auffassung, dass Juden Jesus als ihren Erlöser anerkennen müssten. Laut
einer Erklärung, die von einer Handvoll
jüdischer Studenten auf der Demonstration verteilt wurde, distanzierte
sich die Vereinigung auch von der anti-islamischen Einstellung einiger
Organisatoren.
Ihr Protest, der die Aufmerksamkeit der deutschen Medien erhielt, warf die
Frage auf, die auch anderswo gestellt wird: Wie weit sollen die
Unterstützer Israels gehen, um in schweren Zeiten Unterstützung zu
erlangen?
In den Vereinigten Staaten sind jüdische Gruppen und israelische
Diplomaten weniger widerwillig, wenn es darum geht, während der
gegenwärtigen israelisch- palästinensischen Gewalt Unterstützung für
Israel von evangelikalen Christen zu erhalten. Im Oktober soll dort eine
große christliche Demonstration für Israel stattfinden.
In Deutschland dagegen gibt es weit weniger evangelikale Christen, und sie
sind kaum akzeptiert, nicht einmal bei Angehörigen der evangelischen
Kirche.
Für die jüdischen Studenten auf der Demonstration kann es keine
Kompromisse geben. Auf dem Flugblatt der Studenten heißt es: „Viele
fundamentalistischen Gruppen erkennen das Existenzrecht von Juden nicht
an, insofern sie nicht an Jesus glauben, das heißt, den christlichen
Glauben annehmen. Diese Bestrebungen verurteilen wir aufs Schärfste.
Gleichzeitig distanzieren wir uns von der politischen Ausrichtung der
Veranstaltung, deren Hauptredner, Ludwig Schneider, in der Vergangenheit
gefordert hat, Israel müsse einen „Heiligen Krieg“ führen gegen die,
„die dich, oh Gott, hassen.“ Diese Hetze gegen Muslime lehnen wir strikt
ab.“ Soweit das Flugblatt der Studenten.
Günter Keil, Vorsitzender der fundamentalistischen Dachorganisation
„Brücke Berlin Jerusalem“, die die Demonstration organisiert hat,
bestreitet beide Punkte. Er gibt zu, dass für ihn das Judentum durch die
Akzeptanz Jesu vervollkommnet werde, betont aber, dass seine Gruppe
keine Abteilung habe, die mit der Mission von Juden beauftragt sei.
Keil zu JTA: „Wir haben nichts gegen das palästinensische Volk, aber für
uns sind Palästinenser Araber. Der Begriff „Palästinenser“ ist eine
Erfindung... also kann es keinen palästinensischen Staat in Israel
geben.“
Keil, dessen Gruppe nach eigenen Angaben 500 Gebetskreise in ganz
Deutschland betreibt, sagte, dass die Demonstration absichtlich auf
einen Samstag gelegt wurde, um deutlich zu machen, dass sie von
nichtjüdischen Gruppen veranstaltet werde, und nicht von der
israelischen Botschaft.
Die israelischen Botschaft publizierte den Demonstrationsaufruf auf ihrem
elektronischen Newsletter, und Botschafter Shimon Stein nahm bei einer
Feierstunde in der Botschaft in Berlin vergangenen Freitag eine
Unterstützungserklärung der Organisation entgegen, mit mehr als 6000
Unterschriften, die von der Internetseite Jerusalem-Shalom gesammelt
wurde. Diese stillschweigende Unterstützung war für viele Beobachter
beunruhigend.
„Ich teile das Ziel, Solidarität mit Israel zu zeigen, aber ich sehe hier
einige Probleme“, sagt Martin Kloke, Experte für deutsch
israelische Beziehungen und Herausgeber eines Schulbuchverlages in
Berlin. „Manche der Gruppen hier unterstützen Israel nur, weil sie
glauben, dass Israel und die Juden in der Endzeit eine bestimmte Rolle
spielen, und sie glauben, dass wir uns schon heute in dieser Endzeit
befinden.“
„Wenn jemand für Israel demonstriert, für eine gerechte Sache, soll ich
ihm sagen: Demonstriert bitte nicht?“, fragt Mordechay Lewy, Gesandter
an der hiesigen israelischen Botschaft. „Das ist ein freies Land, und
ich kann sie nicht davon abhalten.“
Die Demonstranten zogen vom Auswärtigen Amt zum Reichstag, wo eine
Kundgebung mit mehreren Rednern abgehalten wurde, untermalt von
israelischer und jüdischer Musik.
Viele Demonstranten schwenkten israelische Fahnen, einige trugen Kipot und
Davidsterne, obwohl sie nach eigenen Angaben keine Juden waren. Die
Schilder trugen Aufschriften wie „Wir stehen an der Seite Israels“,
„Gott segne dich“ und „Christen an der Seite Israels“. Eine Frau trug
ein großes, handgemaltes Plakat mit einem Kreuz auf gelbem Hintergrund.
Auf dem Kreuz war ein großes Herz abgebildet, darin ein Davidstern.
Auf der Tribüne wurde ein Schofar geblasen, und einige Demonstranten, die
selbst Schofarhörner mitgebracht hatten, stimmten mit ein. Das Shma
wurde auf Hebräisch gesungen, und viele in der Menge sangen mit. Die
deutschen Politiker wurden gesegnet, viele streckten dazu beide Arme
nach oben, dem Reichstag entgegen.
„Die Passanten wussten nicht, wer diese Demonstranten waren“, sagte Uriel
Kashi, Mitglied des Bundesverbandes der Jüdischen Studierenden in
Deutschland, der die Protestflugblätter verteilte. „Als Ludwig Schneider
sprach, waren viele Leute schockiert, und entwickelten eine ablehnende
Haltung gegenüber der Solidarität mit Israel.“ Schneider, ein
Journalist, der seit mehr als 25 Jahren in Israel lebt, rief der Menge
zu: „Wer auch immer Israel hasst, hasst Gott.“ Der Applaus der Menge
wurde besonders laut, als Schneider rief, die blutdürstigen Feinde
Israels sollten sich unserem Gott zuwenden.
„Wir arbeiten streng auf biblischer Basis“, erklärt Keil von der „Brücke
Berlin Jerusalem“. „Wir sprechen nicht von besetzten Gebieten oder
dem Westjordanland, sondern von Judäa und Samaria. Unserer Meinung nach
gehören sie zu Israel.“
Kloke erklärt, manche Gruppen seien so extrem, dass sie die Ermordung des
israelischen Premierministers Yizhak Rabin als Strafe Gottes bewerten,
die Israel davon abhalten sollte, Land zurückzugeben. Das hat Kloke in
einem Aufsatz in der deutschen Zeitschrift „Israel & Palästina“
dokumentiert.
Cathy Palmer, eine Demonstrantin aus Florida, kam zur Kundgebung, um
dagegen zu protestieren, dass Israel Land aufgibt gegen Frieden. „Gott
wird uns mit Katastrophen dafür strafen, mit Flut und Feuer“, sagte sie.
Gefragt, ob Rabin ein Beispiel sei für jemanden, der von Gott gerichtet
wurde, sagte sie „Ja.“
„Trotz allem begrüßt die israelische Botschaft seit vielen Jahren diese
Solidarität“, meint Kloke, der die Demonstration beobachtete. „Sie
behauptet, Israel sei einsam und habe nur wenige Freunde, also könne man
nicht wählerisch sein.“
Diese Ansicht wurde durch die Kundgebung unterstrichen, auf der
Informationsmaterial der israelischen Botschaft und des jüdischen
Nationalfonds (JNF) neben christlich-fundamentalistischem Material über
das Heilige Land und das Neue Testament feilgeboten wurden. „Wir haben
so wenige Freunde in Deutschland in dieser für Israel so schlimmen
Zeit“, meinte Sara Rozenbaum, Vertreterin des JNF in Deutschland.
„Unsere christlichen Freunde sind immer mit uns zusammen an der Front
für Israel. Ich versuche, nicht an den missionarischen Aspekt zu denken,
weil ich aus einer religiösen Familie stamme, und ich liebe meine
Familie, und ich liebe meine Religion.“
Lewy denkt, dass diejenigen, die die Ermordung an Rabin rechtfertigen,
Fanatiker seien. Aber es dürfe keine Hexenjagd auf Leute geben die etwas
für Israel tun.
Übersetzung: Oliver Glatz
Some Jews don’t like it as
German Christians rally for Israel
By Toby Axelrod
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